Blog: September

Mittwoch, 28.09.16

Angekommen in Deutschland

Hallo, meine Lieben!

 

Hahaha, aus Tagen werden wieder Wochen und schwupps, ist schon der erste Monat wieder vorbei. Und bei Facebook werden jetzt die Erinnerungen angezeigt, die ich vor einem Jahr gepostet habe~ Die Zeit rast!!!

Inzwischen geht es mir hier wieder richtig gut. Das Heimweh (oder Fernweh??) war die erste Woche sehr schlimm, dauernd ist diese Traurigkeit in mir hochgekommen, die mich jedes Mal kurz vor die Tränen gebracht hat. Aber nach einer Woche war es vorbei! Oder ist zumindest merklich weniger geworden. Ich hätte gedacht, dass das länger dauert.

 

In diesem Post möchte ich euch ein bisschen von meiner Ankunft und meinen bisherigen Eindrücken in Deutschland erzählen, von meinem Rückkehrer-Seminar in Berlin und meinen Zukunftsideen. Außerdem möchte ich ankündigen, dass die Berichte an dieser Stelle nicht vorbei sein werden. Ich habe im April aufgehört, regelmäßige Rundbriefe zu schreiben, und das möchte ich im Laufe der nächsten Monate aufholen. Ich habe ja brav Tagebuch geschrieben, um mein Gedächtnis auf Trab zu halten, und werde einfach noch ein paar Geschichten erzählen. Und die von euch, die das interessiert, sind herzlich eingeladen, sie durchzulesen :)

#Handgepäck *hust*
#Handgepäck *hust*

 

Also.

Am 22. August irgendwann Mittags bin ich in Frankfurt gelandet, nachdem wir einen sehr witzigen (weil komplett übermüdet) Aufenthalt in Doha hatten. Und bei dieser Passkontrolle, die von einer Maschine automatisch gemacht werden konnte, wurden wir vom deutschen Kontrolleur erstmal auf deutsch (Umgewöhnung) gefragt, ob wir überhaupt 18 sind... Wir waren alle zutiefst beleidigt. In Kambodscha wurden wir immer auf Anfang 20 geschätzt. Als wir endlich unser Gepäck hatten und Richtung Ausgang trotteten, fragte mich Gwen „und? Biste jetzt aufgeregt?“ und ich wollte grade antworten „nee... du?“ also sie schon ihrem Papa in die Arme sprang und ich meine Familie sah und dachte „oh... toll.. Familie..“ hahah, das war echt gemein so, aber meine Freude hat sich in dem Moment echt in Grenzen gehalten. Auf dem Weg zum Auto war alles grau und Frankfurt ist grau und der Himmel ist grau und ohne Sonne ist das grün nicht richtig grün und außerdem war es superkalt. Im Auto habe ich mir sogar gewünscht, ich wäre doch mit Zug alleine hoch gefahren, um mir in aller seelenruhe die Augen ausheulen zu können, was ich im Auto vor meiner Familie irgendwie so nicht tun wollte...

Die Raststätte war auch grau und kalt, aber das Essen war klasse!!! Außerdem habe ich mit meiner billig Bose-Box meiner Familie Khmer-Musik gezeigt und wir haben ganz, ganz viel geredet, und vor allem ehrlich über alles geredet. In Kambodscha habe ich nämlich gemerkt, wie toll Familie doch sein kann. Das Leben ist mit Beziehungen viel schöner, und da lohnt es sich defintiv, mit den Leuten, mit denen man zusammen wohnt und sein Leben lang verbunden sein wird, eine enge Beziehung zu haben. Und eine enge Beziehung erreicht man durch gemeinsame Erlebnisse, aber auch durch Reden, Reden, Reden. Geschichten voneinander erzählen, Probleme anvertrauen. All das macht eine Beziehung enger, und somit das Leben schöner. Dass ich überhaupt nichts über die Vergangenheit von meinen Großeltern weiß, ist mir aufgefallen, als meine dänische Mitfreiwillige und Journalistin Kristine mich zum Thema Nationalstolz und Nationalflagge interviewt hat:

Sie fragte mich, warum ich meine Großeltern nie über den Krieg gefragt habe. Ich wusste es nicht, aber es war ja eh zu spät, alle tot. Und was ist mit deinen Eltern? Was weißt du über die? Wie war es für die, im geteilten Deutschland aufzuwachsen? Ehh.... Nie gefragt. Warum nicht? Ehh... Keine Ahnung... Wäre voll interessant zu wissen. Und es ist noch nicht zu spät! 

Das hat mir den Anstoß gegeben. Und auf der Autofahrt nach Hause wurden dann ein paar Kindheitsgeschichten erzählt. Ich will eine engere Beziehung zu meiner Familie aufbauen, denn das hatte ich in meinem bisherigen Leben noch nicht so begriffen. Und das klappt bis jetzt richtig gut!!

 

Was ist sonst noch in diesem Monat passiert? Als ich nachts Zuhause ankam, habe ich heulend meinen Lieblingshund begrüßt und meine besten Freundinnen haben mich im Wohnzimmer überrascht, das war toll. Am Tag darauf wurde ich wieder überrascht, diesmal von ganz ganz vielen tollen Menschen, und wir haben eine witzige Nacht miteinander verbracht. Highlight war die Anwesenheit von Eileen, einer Freiwilligen von SCAO, mit der ich die ersten drei Monate in Kambodscha zusammengelebt habe. Die darauffolgende Woche habe ich eigentlich nur damit verbracht, Freunde zu sehen und die tollen Sommertage zu genießen. Ich bin so ein Glückspilz, dass der Sommer quasi mit mir gekommen ist! Und heute hat dann der Herbst angefangen, und ich genieße es so sehr wieder den Wind spüren zu können und das Laub fliegen zu sehen! Das ist noch so ein Traum, den ich letztes Jahr um diese Zeit geträumt habe und der jetzt in Erfüllung gegangen ist: Mit meinem Hund durch den Herbst spazieren.

Eileen und Ich
Eileen und Ich

Komische Situationen:

Als ich mich zum ersten Mal wieder in Papas Schaltwagen gesetzt habe und nicht mehr wusste, wie überhaupt irgendetwas geht. Später auf der Straße musste ich anfangen zu weinen, weil ich mein Moto so sehr vermisst habe. Das hat mich selbst überrascht. Wenige Minuten später sah ich 2 einsame Grundschüler die Straße auf dem Fahrrad nach Hause fahren, und musste an die riesige Kindermasse denken, die täglich vor unserer Haustür in ihren weiß-schwarzen Uniformen aus der Schule geströmt kam. Diese Erinnerung hat keinesfalls gegen die Tränen geholfen, haha. Es hat Wochen gedauert, bis ich beim Auto fahren nicht mehr an mein Moto denken musste. Jetzt, nach einem Monat, ist es wieder normal. 

Ebenso mit den roten Ampeln. Am Anfang habe ich mich furchtbar über jeden, der einer roten Ampel unnötig viel Respekt entgegenbrachte, aufgeregt. Ich konnte nicht verstehen, warum diese Menschen vor einer leeren Straße stehen, nur weil ein rotes Licht leuchtet. Als wären sie hohl in der Birne. Inzwischen rege ich mich nicht mehr auf, es ist wirklich eine Frage der Gewöhnung. Wenn die Straße frei ist, geh ich aber trotzdem rüber.

Als ich 6 Tage nach meiner Ankunft, am Samstagabend in Oldenburg mit Familie unterwegs war, und mein Bruder von irgendwelchen Pennern angepöbelt wurde, weil er ein schickes Hemd trug und überall waren besoffene, lachende Menschen, weil irgendein Stadtfest am Gange war. Ich habe mich so unglaublich unwohl gefühlt. Und so sehr in dieses Gefühl hineingesteigert, dass ich wirklich mitten auf der Straße die Tränen nicht mehr unterdrücken konnte und vor allem mit niemandem reden wollte. Ich wollte einfach nur nicht hier sein, nicht umgeben von all diesen ekligen Menschen, sondern Zuhause in Phnom Penh, mit meinen Lieblingsgesichtern um mich rum.

Ich bin so dermaßen zur Heulsuse mutiert. Aber ich mags~ Samstage scheinen übrigens meine Schwäche zu sein. Bis jetzt habe ich jeden Samstagabend geheult, weil ich Kambodscha oder die Leute vermisst habe. Bis auf den Samstag, wo ich mit meinem ehemaligen Mitbewohner Jako in Kiel war. Und letzten Samstag gab es auch garkein Heimweh! Vielleicht ist es nun endgültig überstanden :)

Die 6 DRK-Leute! Mit diesen Menschen bin ich auch hin und hergeflogen. Henni, Gwen, Greta, Jako, Anna, Inka
Die 6 DRK-Leute! Mit diesen Menschen bin ich auch hin und hergeflogen. Henni, Gwen, Greta, Jako, Anna, Inka

Auch wenn ich vieles vermisse, wie meine Freunde, meine Schüler, mein Haus, mein Kochen (die Zutaten sind hier so anders!), das sonstige Essen, die Eigenständigkeit, besonders wegen dem Moto und dem Geld, man konnte immer einfach mit Freunden essen gehen oder irgendwo hin, wenn man wollte! Hier überlege ich mir drei mal ob ich mir das belegte Brötchen für 3 Euro jetzt wirklich gönnen soll... der Regen, der Verkehr, die Menschen!!! Und mich selbst! In Kambodscha hatte ich nie Scheu, Leute auf der Straße anzulächeln oder gar Gespräche anzufangen, doch hier fällt es mir wieder schwerer. Das ärgert mich.

Aber nichtsdestotrotz, der Traum der Hausfrau, den ich mir in Kambodscha schon immer ausgemalt habe, ist in Erfüllung gegangen: Ausschlafen, Arbeiten (SCAO, Bewerbungen, Berichte, Zukunft,…) Kochen, Essen, Reden, Hund, Arbeiten, Freunde treffen, Schlafen. Ich habe immer was zu tun, ich habe eine ellenlange ToDo-Liste, weswegen diese Rundmail leider auch erst so spät kommt... 

 

Etwas anderes, was unweigerlich mit Deutschland verbunden zu sein scheint, sind meine Hautprobleme, die in Kambodscha komplett verschwunden waren, aber hier auf Kommando wieder angefangen haben, zu wachsen. Anstatt meiner Arme und meinem Hals, kratze ich jetzt nachts meine Beine blutig... ugh. Hält sich aber noch in Grenzen.

So, nächstes Thema:

Am 12. September hat das Rückkehrer-Seminar in Berlin angefangen. Erstmal bin ich viel zu spät gekommen, unter anderem weil diese Pünktlichkeit in Deutschland mich umbringt. Ich renne zu jedem Bus und zu jeder Bahn und viel zu oft passiert ist, dass der Bus/Zug DIREKT vor meiner Nase wegfährt. Also wirklich, es fehlen immer so 30 Sekunden. 

Es war toll, alle Leute wiederzusehen, besonders Jako, der extra aus Schottland angereist ist und eine Woche Studium verpasst hat. Außerdem haben wir ganz, ganz viel gelernt. Auf unser Jahr zurück geblickt, was hat es mit uns gemacht und was haben wir dort eigentlich gemacht? Haben wir wirklich geholfen? Und noch wichtiger: Wie können wir jetzt helfen? Wie können wir weitermachen, in Deutschland? Ich habe ein paar neue Jobideen bekommen. Mein eigentlicher Plan war Richtung Soziale Arbeit und jetzt drifte ich in Richtung Entwicklungspolitik/ Freiwilligenarbeit. Alles noch sehr schwammig, wechselt sowieso von Tag zu Tag und das auszuführen, lohnt sich grade nicht, würde diesen Text zu lang machen.

Was meine Zukunft angeht, bin ich momentan auf jeden Fall sehr motiviert. Ich arbeite wie gesagt immer noch für SCAO, und stehe in sehr engen Kontakt mit meinen Nachfolgern, weswegen ich noch sehr nah am Geschehen dran bin, was mich glücklich macht. Außerdem habe ich noch Kontakt zu einigen der Schüler, meinen neu gewonnenen Freunden und unsere alte Freiwilligengemeinschaft aus der Aprilzeit plant grad ein Nachtreffen in Deutschland und ich habe auch schon Ideen, Lucy in Irland zu besuchen. Also alles rosig!

 

Ich hoffe, euch geht es ebenfalls gut. Es war schön, so manches bekannte Gesicht schon wiedergesehen zu haben und so manche Person wieder in die Arme geschlossen haben zu können! Beim nächsten Mal gibt es dann hoffentlich mehr Details bezüglich meiner Zukunftsplanung und eine Geschichte aus der Vergangenheit~

 

Ganz liebe Grüße,

Eure Inka